Das Halbfinale der Europameisterschaft schien schon im Vorfeld ganz besonders viele Nerven zu treffen.
Schon seit einigen Wochen wird über die “richtige” Nationalmannschaft für deutschtürkische Fußballer diskutiert (vgl. taz, Cem Özdemir in der FAZ, u.v.m….) In der türkischen Nationalmannschaft spielte in dieser EM mit Hamit Altintop lediglich ein Spieler eines deutschen Clubs. Seitdem klar wurde, dass “Deutschland” und “die Türkei” sich im Halbfinale gegenüberstehen würden, überboten sich die Medien mit allerlei Schlagzeilen und Fotomontagen. Während BILD “Wir gegen die Türken” titelte (siehe Foto), machte die Financial Times Deutschland das Halbfinale zum “Integrationstest”, den die taz mit ihrem Halbfinaltag- Titelbild vermutlich bestanden haben dürfte. Doppelte Loyalitäten – sonst ein Schreckgespenst, das unbedingt verhindert werden muss – werden im Fußball plötzlich toleriert. Dass “der Deutsche aus Polen” “die Kraft der zwei Herzen” hat, wissen wir nicht erst, seit er bei seinen Toren gegen Polen nicht richtig jubelte. So lange er sie aber schießt, darf er das auch. Auch Hamit Altintop hat “die Kraft der zwei Herzen” – laut taz gilt das für etwa 50 EM-Stars.
“Heimatland gegen Heimatland” titelte die Süddeutsche – der Autor war mit der “Hauptsache, wir gewinnen”-Einstellung nicht allein, bedenkt man z.B. die Berliner Morgenpost oder die im ZDF-Morgenmagazin interviewten SchülerInnen und LehrerInnen einer deutsch-türkischen Schule. Für das ZDF befinden “wir” uns sowieso im Multikulti-Fußballrausch.
Wenig überraschend bot und bietet die EM viele Gelegenheiten für die “harmlose” Reproduktion nationaler Stereotype – die auch freudig genutzt wurden – sowie für das “harmlose” Fahnenschwenken. (Ein paar “harmlose” Hitlergrüße und Sieg-Schreie sind dabei nicht der Rede wert.) Nach dem Halbfinale werden nun wieder die Gemeinsamkeiten betont. “Ein Sommermärchen zwischen Currywurst und Döner” habe auf der Berliner Fanmeile stattgefunden, so BILD. “So viel Fahne hatten wir noch nie!” schreibt die Zeitung denn im Überschwang etwas geschichtsvergessen – zwar berichtet BILD nach eigenem Bekunden “leider erst seit 1952″, aber die Fahnenmeere zur WM 2006 auszublenden grenzt an Demenz. Currywurst und Döner haben sich aber in verschiedenen deutschen Städten auch nicht so gut verstanden – jedenfalls wurden Dönerläden Zielscheibe rassistischer Angriffe, unter anderem in Dresden. Da möchte man nicht wissen, was passiert wäre, wenn die Türkei ins Finale eingezogen wäre.