Im Karneval ist alles erlaubt? Leipziger studentische Karnevalsvereine haben sich dieses Jahr zu beleidigenden Plakatwerbungen entschlossen. Der Ba-Hu-Elferrat warb für seinen Fasching am 11.11.2010 mit einem schwarz angemalten Weißen, der Roberto Blanco parodieren sollte. Der Schwarze Blog berichtete bereits im November dazu und dokumentiert eine Mailauseinandersetzung mit dem Sprecher des Ba-Hu-Elferrats. Nach dem Motto ‘Ein bisschen Spaß muss sein’ verteidigt dieser das Recht seines Vereins auf rassistische ‘Späße’ und weist darauf hin, dass “in Deutschland insbesondere Leipzig” Kolonialrassismus keine Rolle spiele und man das deswegen dürfe.
Während die gesamte Abwehrtaktik (in der Antirassismusarbeit im englischsprachigen Raum als “Derailing” bezeichnet, mehr weiß die sarkastische Anleitung Derailing for Dummies) des Ba-Hu-Öffentlichkeitsarbeiters kritikwürdig ist – da ist alles dabei: Täter-Opfer-Umkehr, Zensurvorwürfe, Emotionalisierung der Kritik, eigentlich sei all dies ein Zeichen der “Bewunderung” Schwarzer – schreit insbesondere die Behauptung, Kolonialrassismus habe in Deutschland keine Bedeutung, nach Berichtigung.
Dies hat nun die AG postkolonial bei EnWi übernommen. In einer Stellungnahme weist sie darauf hin, dass und wie Kolonialismus Alltag und Kultur auch in Leipzig wesentlich beeinflusste. Auch den berechtigten Rassismusvorwurf an das Plakat erklärt und kontextualisiert die Stellungnahme:
Es ist rassistisch, weil das Plakat auf Stereotype zurückgreift, die von Weißen geschaffen wurden, um Schwarze als einfältig herabzuwürdigen und auf diese Weise eine weiße Identität als rational und überlegen zu erfinden. Das Plakat ist rassistisch, weil es Schwarze entmenschlicht, nämlich aus ihnen Figuren macht, über die Weiße jederzeit verfügen können, um sich und andere Weiße zu bespaßen.
Rassismus ist kein Problem allein von Neonazis. Darauf weisen unzählige WissenschaftlerInnen und politische Initiativen hin – und das keineswegs mit erhobenem Zeigefinger gegen vermeintlich Falschdenkende, sondern aus der selbstkritischen Einsicht heraus, dass Rassismus die Gesellschaft, in der wir leben, durchdringt und damit alle in ihr lebenden Menschen, uns alle, prägt. Eine Einsicht, die nicht nur, aber in ganz besonderem Maße Weiße Menschen dazu einlädt, darüber nachzudenken, warum sie so vehement einfordern, sich auf Kosten von People of Color amüsieren zu dürfen und warum sie so vehement verweigern, in diesem ihrem Spaß von Personen gebremst zu werden, die sich durch diesen Spaß diskriminiert fühlen.
Unterzeichnet wurde die Stellungnahme von zahlreichen Initiativen, die sich in Deutschland für die Aufarbeitung der Rolle kolonialer Bilder insbesondere im Alltagsrassismus einsetzen. Darunter die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, AfricAvenir, sowie die postkolonialen Initiativen berlin postkolonial e.V., frankfurt-postkolonial, freiburg-postkolonial.de und KopfWelten – gegen Rassismus und Intoleranz e.V. / Köln Postkolonial
Auch Leipziger Gruppen – das Forum für kritische Rechtsextremismusforschung, das AfrikanistikForum am Institut für Afrikanistik der Uni Leipzig und die Berlin-Leipziger Gruppe “Kolonialismus im Kasten?” unterstützen den Aufruf. Eine kritische Stellungnahme des StuRa-Referats für Antirassismus reagierte ebenfalls im November auf dieses Plakat sowie eines des Medi-Elferrats (Bild hier).
Die gesamte Stellungnahme der AG postkolonial gibt es hier – auch als PDF zum Download.
[...] NEU vom 17.1.2011: Stellungnahme von zahlreichen Initiativen, die sich in Deutschland für die Aufarbeitung der Rol… [...]