Gestern hat das Bundesverfassungsgericht eine knapp 20 Jahre wärende staatsrassistische Praxis kassiert. Die Rede ist natürlich von der Ungleichbehandlung von Asylbewerber_innen und Menschen, die nach der Ablehnung ihres Antrags in Deutschland “geduldet” werden.
Konkrete Politik war es, Asybewerber_innen weniger Geld als die schon niedrigen ALG II-Sätze zuzugestehen. Die dahinterstehende Logik war zu Beginn, die vermeintlichen Anreize für potentielle Asylsuchende zu minimieren, die sich durch die hohe soziale Absicherung vielleicht angelockt fühlen würde.Vergessen wurde bei dieser perfiden Logik, dass es im Grundgesetz eine Definition von Menschenrechten gibt und es dummerweise zusätzlich eine Sozialstaatsklausel gibt, die Menschen ein gewisses Recht auf lebenswertes Leben garantiert.
Der Artikel aus der Taz zum Thema, mit weiteren Hintergründen zu der Problematik, findet sich hier.
Nun soll man das ganze gleich Staatsrassismus nennen? Ich denk, dass das eine adäquate Bennenung für eine eine politische Praxis ist, die Menschen in erste und zweite Klasse teilt. Und die denen, die nicht in dem Land geboren worden sind, ihre Grundrechte, ja Menschenrechte abspricht.
„Der national-soziale Staat“, wie ihn Etienne Balibar genannt hat, ist das verbindende Regimegefüge, dass uns erlaubt, diese Zusammenhänge zu verstehen. Denn der Staat ermöglicht über die Gesetze und seine dahinter liegende Staatsraison, dass Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft weiterhin nach rassifizierten und diskriminierenden Kategorien funktioniert.
Die Frage: Gehörst du dazu? Ist weiterhin die rassistische Trennlinie zwischen Asylsuchenden – die eigentlich nur unsere logische Solidartität erhalten sollten – und der vermeintlich demokratischen, weltoffenen und soziale Gesellschaft. Doch solange wir diese Betrachtung nicht ändern, wird es Menschen erster und zweiter Klasse geben. Und Rassismus made in the State of the BRD.
Das “schöne” an dieser Politik ist zudem, dass keine Regierung seit der fundamentalen Änderung des Asylrechts 1993 sich dazu durchringen konnte, das Gesetz zu ändern oder wenigstens anzupassen. Das nenne ich eine staatsrassistisch-koninuierliche Staatsraison. Immerhin kann man sich in diesem Fall auf das BVerG verlassen. Doch ist das ein Trost? Sicher nicht, müsste doch die Politik einem fundamentalen Wandel unterzogen werden. Doch das hieße letztendlich auch, die Staatsrasstischen Praxen zu beenden. Und das hieße: Wir hätten einen anderen Staat …
Statt desssen bleiben wir im Denken des 18. und 19. Jahrhunderts gefangen. Eine Zeit, in der ” das Leben” in die Politik und den Staat einzug hielt. Michel Foucault erfindet für diese Vorgänge den treffenden Begriff der Biopolitik (siehe u. a. die Bücher “Sexualität und Wahrheit”, B. 1 und “Die Geburt der Biopolitik”). Die vorher herrschende Politik hat sich zwar auch der Untertanen bedient, aber der Hauptschwerpunkt war das sog. “Leben lassen und Sterben machen”-Prinzip. Sprich: Die Untertanen durften zwar malochen, etc., aber der Souverän hat sich vor allem über seine letztes Recht, sie zu töten oder am Leben zu lassen definiert. Ab der Erfindung der “Bevölkerungen”, ihrer statistischen Erhebungen, Bewertungen und Messungen ihrer “Leistungen” und der Erkenntnis, dass “Staatsbürger_innen” nützlich für den Staat sind, hat sich hier eine entscheidende Wende für die Menschen und ihre Regierung vollzogen.
“Das Leben ist jetzt, vom 18. Jahrhundert an, ein Objekt der Macht geworden. Das Leben und der Körper. Früher hat es nur Untertanen gegeben, Rechts-Subjekte, deren Güter, auch deren Leben im Übrigen man einziehen konnte. Jetzt gibt es Körper und Bevölkerungen. Die Macht ist materialistisch geworden.” (Michel Foucault, Die Maschen der Macht, 1998)
Die Untertanen sind Staatsbürger_innen geworden und mit ihren Körpern für Staat und Kapital zu wertvollen Ressourcen für die Regierbarkeit und die ökonomische (Re-)Produktion geworden. Das Leben und seine Schaffung und Entwicklung wird zum zentralen Staatszwecke. Jetzt heißt das Motto “Leben machen und sterben lassen”.
Daran knüpft später, im 19. Jahrhundert, die Rassifizierung und Klassifizierung der Menschen in Staatsbürger_innen via Geburts- und sog. “Bluts-Zugehörigkeit” oder “Abstammungs-Prinzip an (Ius Sanguinis). Wer also nicht seine Geburtsrecht beweisen oder belegen kann, kommt nicht in den Privilegienwagon der Staatsbürger_innen erster Klasse. Er muss draußen bleiben, oder zweiter Klasse weiter reisen. Das Leben der Menschen wird geschieden, nach perversen “Nützlichkeits-”, rassistischen und anderen sozialen und politischen Kriterien, die bis heute fortwirken – auch wenn sie sich verändern bzw. Metamorphosen durchmachen.
Doch es gilt weiterhin: Aus dieser Politik des Lebens und seiner rassistischen Aufladung sind wir auch heutzutage noch lange nicht ausgesbrochen. Auch das lehrt uns die rassistische Asylpraxis. Das Leben der Asylsuchenden ist uns weniger Wert als das Leben der hier schon lebenden Menschen. Eine staatsrassistische Ungerechtigkeit. Die selbst nach dem Urteil des BVerfG nicht aufhören wird …